Mittwoch, 28. November 2007

Kritische Betrachtung

Liebe Freunde

Nachdem gestern die Macroeconomics Prüfung an der Reihe war, schrieb ich heute mit dem Exam in Management of People at Work (Organizational Behaviour) meine letzte Prüfung. Heute Abend stand ein vorzügliches Farewell Dinner, gesponsort von der Universität St.Gallen und der Schweizer Botschaft auf dem Programm. Im Beisein einiger befreundeter Singapurer Studenten verabschiedeten wir uns damit offiziell vom Programm des Asiaterms 2007.
Für mich stehen nun ein paar Tage Ferien an, die ich nach dem Stress der letzten Wochen bitter nötig habe. Das kränkliche Gefühl, dass ich momentan verspüre, deutet auf vollste Zustimmung meines Körpers hin.
Am Sonntag geht es dann ab Richtung Jakarta, von dort weiter nach Bandung, wo meine Kollegen Tom, Robert, Mac und ich uns dem Social Enterprise Development Project widmen werden. Ich freue mich auf diese Erfahrung, obwohl es wohl kein Zuckerschlecken werden dürfte, wurden wir doch darauf vorbereitet, dass in Indonesien Rain Season herrscht.
Unsere Gruppe von 17 Studenten wird zuerst nach Bandung im Nordosten von Java verschieben und dort während einer Woche AVOR betreiben. Danach verschieben wir in den Einsatzraum, hoch oben auf dem Vulkan in einem kleinen Dorf, wo wir in einem Haus mit drei Zimmern und ohne Betten untergebracht sein werden. Nach einer Woche Erkundung verschieben wir zurück nach Jakarta, wo wir den Businessplan vorbereiten und diesen dann am 18.12.07 verschiedenen Microcredit Banken präsentieren werden, in der Überzeugung, von diesen unterstützt zu werden. Ob das eintrifft hängt von der Realisierbarkeit unserer Pläne ab.

Da ich mich nun in der Endphase des Terms befinde, mir eine Meinung über Singapur bilden konnte und auch schon verschiedene kritische Stimmen bezüglich meiner Partyfotos vernommen habe, werde ich nun den Singapur Alltag einmal kritisch beleuchten.

Singapur ist ein Disneyland für Erwachsene. Alles ist sauber, die Strassen und Gärten in perfektem Zustand, es herrscht Zucht und Ordnung und jeder verfügt über Unmengen von Cash. Das ist das Äussere, das der Tourist und der Austauschstudent in seiner Frühphase zu Gesicht bekommt. Doch es hat auch seine Kehrseite.
Was macht man in Singapur bei Regen? Shopping. Bei Sonnenschein? Hmm Shopping. Und vielleicht Sport. Aber da man ja nicht nonstop Sport betreiben kann, ist es meistens Lernen, Arbeiten oder aber Konsum jedwelcher Art. Daraus ergibt sich zwangsläufig ein Materialismus, dessen Wirkung ich unter anderem in der Folge thematisieren werde.

Singapore ist zudem von einer beeindruckenden, wenn nicht beängstigenden Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit. Der Freund von gestern ist morgen bereits auf dem Weg nach Hongkong oder London; INSEAD Studenten, Leute aus dem Mode- und Entertainmentbusiness, Broker, Unternehmer und nicht zuletzt Austauschstudenten bleiben meist zwischen 2 und 6 Monaten, oft auch nur ein Wochenende.
Singapore ist Stopover, Singapore ist Sommer, Singapore ist Ferien und dies widerspiegelt sich auch im Ausgang. Die Parties sind ausgelassen, es wird gefeiert, als gäbe es kein Morgen und meistens gibt es Wiedersehen zwischen alten Freunden, die begossen werden müssen.
Aus diesen Gründen entsteht der Eindruck, die Mehrheit der Leute in Singapore würden Werte wie Freundschaft, Loyalität, Respekt und Bodenständigkeit komplett negieren. Dabei muss man sich allerdings immer in Erinnerung rufen, wie man sich selbst in den Ferien verhält und dass in den Ferien anderes Verhalten bezüglich Konsum und Wertetreue akzeptiert wird.

Aus diesem Grund ist nun aber jeder Vergleich zwischen Singapore und einer Schweizer Stadt bezüglich Verhalten und Konsum im Ausgang vollständig verfehlt. Die grosse Gefahr, der man hier ausgesetzt ist, stellt der Mangel an nötiger Distanz dar. Wer dieses Leben, diese Gesellschaft hier für real hält, hat diese Distanz verloren.
Wer nicht mehr anders kann, als gleich bei Betreten eines Clubs eine Flasche zu bestellen, eine zweite herumzuspritzen und als Begleiterinnen nur dekorative Models zu akzeptieren, wer mit seinen Freunden nicht gemütlich ein Bier trinken und über die Schönheit des Einfachen sinnieren kann, dem hat es den Ärmel reingenommen.
"Statussymbole kann man kaufen, Status nicht" ist dabei das Zitat, das in dem Moment bestätigt wird, da ich in meiner Ruhe vor dem Laptop gerade vom mondänen Lärm zweier Lamborghinis gestört werde. Wer sich über Champagner und Frauen definiert, wer seine Identität in der Anerkennung falscher Freunde sucht und wer das materialistische Denken, das einem hier regelrecht aufgezwungen wird, zur Maxime seines Handelns macht, hat ein Persönlichkeitsproblem.

Diese Sätze tönen vielleicht moral-apostolisch, Kant-geschwängert und akademisch; vielleicht mögen sie Eurem Eindruck meiner Empfindungen hier widersprechen.
Natürlich ist es mir auch fern zu leugnen, dass das Leben im Luxus schön wäre oder dass mir gar Singapore gefallen würde. Mir ist es bloss wichtig festzuhalten, dass mir das Out-of-the-Box-Denken nicht abhanden gekommen ist und ich fähig geblieben bin, den Genuss der positiven Aufwüchse dieses Lifestyles mit Verstand und Kontrolle zu geniessen. Wie schon Globi gesagt hat: "Allzu viel ist ungesund."
Darüber hinaus sind materielle Werte allein nicht der Schlüssel zum Glück. Wer die kürzlich veranstaltete Privatparty und ihre Gäste studiert hat, weiss was ich meine. Böse gesagt war es eine Gesellschaft gespickt mit arroganten, rolextragenden Emporkömmlingen, Drogenhändlern mit wunderschönen aber nicht ansprechbaren Begleitungen und alternden, bonusgeschädigten Privatebankern, die sich zum hervorragenden Sound eines wohl sündhaftteuren DJs gelangweilt die Lampe füllten, in der Hoffnung, das Teuerste vom Teuren werde auch schnell einfahren, auf dass die Stimmung steige.

Sinnbildlich für meinen Überdruss dieses Umfeldes begab ich mich anschliessend in den Studentenclub, wo man noch Bier trinken kann und trotzdem einen Tisch bekommt, wo sich Freunde wiedererkennen, auch wenn eine Woche zwischen dem letzten Treffen liegt.

Nennt mich simpel und provinzlerisch, aber die ehrliche Gesellschaft währt am längsten. In Singapore ist das ok, in Zürich lache ich darüber. Das heisst nicht, dass man keinen Champagner trinken darf, keine schöne Uhr haben soll, nicht Feste feiern und mit verschiedenen Leuten Bekanntschaft machen sollt. Mir geht es nicht darum, was man trinkt, wie man feiert und mit wem dass man auf Freund macht, sondern vor allem warum.

In diesem Sinne hoffe ich, meine Einstellung in angemessenem und treffendem Masse kundgetan zu haben und freue mich, mit Euch bald wieder Party zu machen. Egal ob in Zürich, Aarau oder St.Gallen, Singapore, St. Tropez, Hongkong oder Ibiza - Hauptsache die Einstellung stimmt.

Gruss und sorry für die Weitschweifigkeit!

Michael

2 Kommentare:

Tobias B. Kappeler hat gesagt…

Eindrückliche Worte zum Abschluss!

RJK hat gesagt…

Michi, super Ziit gsi met Dir da en Spore!

Und danke foer mis Zitat zerwaehne i dim Blog: Statussymbole kann man kaufen, Status nicht!

Gruess und bes zor Farewell nach Jakarta!