Sonntag, 16. Dezember 2007

Social Enterprise Development Project Bandung

Hart nach der Farewell Party in Singapore, dem tränen- und alkoholreichen Abschied von unseren Exchange-Studenten-Kollegen, flogen Mac, Tom, Robert und ich nach Jakarta. Dort wurden wir in Busse verladen und verschoben nach Bandung, ca. 140 km nordwestlich von Jakarta, der Hauptstadt von Westjava, wo wir auf unsere Projektkollegen stiessen, 4 Singapurer und 8 Bandung Students.

Nach kurzer Angewöhnungszeit machten wir uns sogleich auf, die Stadt zu erkunden. Schnell fiel uns auf, dass die Gerüchte, Bandung sei verschlafen, zurückgeblieben und mässig sehenswert, völlig haltlos sind. In der Tat scheinen die Uhren hier etwas langsamer zu laufen als in Jakarta, S’Pore oder HK. Dafür wurde uns schnell bewusst, weshalb hier der Tourismus eine wahre Hochblüte erlebt: Shopping. Bandung ist ein Factory Outlet Paradies, die Shops mit Markenartikeln aller Art reihen sich an den Strassen und die Preise sind schlicht unglaublich. So bezahlt man für ein Ralph Lauren Polo ca. 7 CHF, für einen YSL Pulli ca 15 und für Diesel Jeans anständige 30 Franken.

Nach einem globalisierten Starbucks Kaffee verschoben wir dann zurück ins Hotel, wo wir den übers Wochenende versäumten Schlaf nachholten.

Der nächsten Morgen begann erstmal mit einem klassischen Verschlafen, so dass Robert und ich den Tag unrasiert und mit knurrendem Magen in Angriff nehmen mussten. Nach einigen Vorträgen zur Umgebung und zu unserem Projekt und einige Group Photos later nahmen wir dann ein Buffet Indonesian Style zu uns, welches gefolgt wurde vom Meet and Greet mit all den Freunden unserer Bandunger Kollegen. Die Leute sind hier sehr sympathisch und – trotz strengem Muslimischem Staatsregliegion – sehr offen für Gespräche aller Art. So lernten wir gleich eine Menge über Indonesien, Bandung im Speziellen, die beiden Sprachen Sundanese und Bahar Indonesia und auch interessante Insiderstories über Suharto, Business und Korruption in Indonesien.

Im Anschluss führten uns die Bandunger durch ihre Stadt, während die Singapurerinnen bereits dem Shopping frönten. Es entwickelte sich zu einem sehr eindrücklichen Erlebnis. Die holländischen Kolonialbauten und die später errichteten Art-Deco-Gebäude, zu denen auch der schöne Campus zählt, werden umgeben von einer wild angesiedelten, auf den ersten Blick völlig unstrukturiert erscheinenden Ansammlung von kleinen Häusern, Ställen, „Diguns“ (1-Mann-1-Tisch-Restaurants) und Pärken. Die Strassen werden ohne Maschinen gebaut und nachgebessert, Holcim ist auch hier vertreten, die Luft ist nicht so gewaltig gut, Männer und Frauen ziehen Blech und Altpapier in Rikschas durch die Strassen. Daneben wieder die luxuriöseren Häuser der Expats resp. Regierungsleute mit zwei Autos und drei Motorrädern. Auch vor ihnen, wie vor jedem Haus, anstatt einem Container einfach ein kubisches Betonkonstrukt, in welches der Abfall geworfen und später von kleinen Mädchen verbrannt wird.

Plötzlich kamen wir in einen der vielen Platzregen und suchten sogleich Schutz in einem Restaurant, wo wir eine Spezialität bestellten: Joghurt. Dabei unterscheidet man zwischen Juicy und Non Juicy Joghurt, wenn man „Special“ bestellt, enthält der Joghurt sogar noch ganze, frische Früchte. Mein „Strobery Yogurt Non Juicy Special“ schmeckte vorzüglich, doch es gab auch kritische Stimmen, spätestens als Thomas ein verschimmeltes Äppeeri aus dem Becher zog…

Anschliessend gingen unsere Indonesischen Kollegen erst einmal in die Moschee um kurz zu beten. Wir nahmen das als Signal um unser erstes Bintan Bier zu bestellen. Der Liter kostete 16‘000 Rupiah, was beinahe abzockerischen 2 Franken entspricht! Nach diesem Schock kam uns gerade recht, dass wir zurück ins Hotel fuhren, um noch ein wenig auszuruhen.

Nach dem Dinner (Mie Goreng oder Nasi Goreng = Nudeln oder Reis) machten wir uns – wieder einmal im strömenden Regen – auf zum Markt, welcher in Bandung in der Nacht stattfindet. Wer sich einen touristischen Markt vorgestellt hatte, täuschte sich gewaltig. Ein riesiges Areal voller Gemüsestände, behelfsmässig befestigt und im Schlamm versinkend aber mit wunderschönem Gemüse. Verkauft wurden vor allem Chili aller Art, Karotten, Leunga (potenzfördernd aber grauslig), Tomaten, Kohl, Kartoffeln, Zwiebeln und Knoblauch. Danach besichtigten wir auch noch den Fleischmarkt, wo Rinderköpfe zerteilt, Herzen aufgehängt und lebende Hühner an den Beinen zusammengebunden wurden – alle Arbeitsschritte mit Zigarette im Mund. Lustig war vor allem, dass wir uns vorkamen wie bunte Hunde, von überall tönte das begeisterte „Hello Mister!“, die Leute lachten, scherzten und waren immer für ein gutes Foto zu haben.

Nach diesem Ausflug gelüstete es uns auf ein Bier. Zum Glück sind hier nicht ganz alle Moslems so konsequent und so nahmen wir die Einladung von Didot und Ferad gerne an, mit ihnen noch in ein Pub zu kommen. Und siehe da, an einem Ort, wo das Durchschnittseinkommen unter 1000$/Jahr liegt, fanden wir ein Pub voller Einheimischen, die sich zu Linkin Park und Bob Marley mit Jack Daniels die Lampe füllten – jedenfalls bis zum Stromausfall, der auch uns zur Rückkehr bewegte.

Nun sind einige Tage vergangen und wir sind mitten im Projekt in Cisondari, unserem Zieldorf. Dorf ist eigentlich der falsche Ausdruck. Es sind mehrere kleine Dörfer mit wohlklingenden Namen wie Ciaul, Papak Mandu, Badong oder Lembok, die verstreut im Regenwald der Indonesischen Berge verteilt liegen. Unsere Villa liegt ziemlich zentral und verfügt über 4 Zimmer, eine grosse Stube und eine Moschee. Im Untergeschoss ist die Primary School untergebracht und somit haben wir Dutzende Kinder, die in den Pausen umherrennen und –klettern, für die Kamera posen und immer lachen, wenn sie uns sehen. Robert hat sich mittlerweilen zum richtigen Filmstar entwickelt. Mit seinen 1.93m Körpergrösse ist er der N*** im Umzug und alle wollen Foto machen.

Die ersten Tage im Dorf waren geprägt von Research und Regen. Wir besichtigten die kleinen Projekte, die bereits gemacht wurden (such as Yoghurt Factory, Biogas Systems oder Water Filtration), versuchten die „Stars“ zu ermitteln, evaluierten Schwächen und Möglichkeiten, diese zu beheben. Glaubt mir, es gibt viele und es ist schwierig, sich die Situation vorzustellen, ohne Einblick zu haben. Ich hoffe, später Fotos zur Illustration hinzufügen zu können.

Erstens ist die Infrastruktur übel. Strassen sind meist mehr Flüsse, gehen steil den Berg hoch, so dass wir oft 30 min üben müssen, bevor wir eine Steigung meistern können. Ställe für die Kühe sehen aus wie Hütten im Pfadilager und die Kühe wie Sahel-Gazellen. Im Schnitt 10 Liter Milch am Tag. Eine Mischung aus Erstaunen und Skepsis, als wir von den 80 Liter Kühen in der Schweiz erzählten und Unverständnis, als wir sie über Züchtung aufklärten, wobei man nur den Stärksten und die Stärkste kreuzen sollte.

Zweitens die Effizienz. Der Stolz auf die Produktion von 80 verschiedenen Früchten und Gemüsen, noch dazu organisch, ist verständlich, aber ineffizient wine More. Die Erde ist fast schwarz und es wächst einfach alles und überall und so ist die Verlockung, auch alles überall anzupflanzen natürlich gross. Gerade im Moment isst Mac neben mir Red Guava, gestern Abend hatte ich die beste Mango meines Lebens und draussen auf der Veranda isst man Cassawa Chips, so etwas wie Kartoffeln.

Unser Projekt kommt ganz gut voran. Die Jungs und Girls von Indonesien, Singapore, der Schweiz, Deutschland und Australien harmonieren grossartig, das Level der Ideen und Arbeitsweise ist hoch und die allabendliche Diskussionsrunde im Plenum ist fruchtbar. So haben wir bereits einige Ideen entwickelt, unter anderem folgende:

- Eine Joghurt Factory, welche die überschüssige Milch, welche bis Anhin mit Schmiergeldern abgestossen wurde, in Joghurt transformiert und dadurch einen Added Value erzielt;

- eine Biogas Produktion, die aus Kuhmist Brennstoff herstellt;

- eine Wasserfilterungsanlage und

- ein Projekt zur Trocknung von Früchten und Gemüse, die anschliessend verpackt und exportiert würden.

Tönt alles recht logisch und machbar. Wäre es auch an der Uni, aber hier ist Real Life und das birgt so einiges an Problemen. Meine Gruppe fokussiert auf das Joghurt Projekt und sieht sich folgenden Problemen gegenübergestellt:

  1. Die einzelnen Dorfteile sind zerstritten
  2. Die Qualität der Milch ist tief und unterschiedlich (Hygienestandards, Milchpanschen)
  3. Pasteurisierung ist kaum möglich im Dorf, somit kann die Milch nicht gelagert werden
  4. Das Beziehungsgefüge ist kompliziert und heikel, da das Government involviert ist und somit Korruption wichtigen Einfluss hat
  5. Die Kühe gehören den Geldgebern, sogenannten KUDs, deshalb muss auch die Milch wieder an diese abgegeben werden
  6. Transport ist schwierig
  7. Etcetc

Es ist schön zu sehen, dass die unterschiedlichen Kulturen, speziell Moslems und Christen, hier so gut zusammen auskommen. Es gibt nahezu keine Spannungen zwischen den Leuten. Allerdings haben alle mit einigen anderen Problemen zu kämpfen, zum Beispiel dem Essen. Meist sieht der Menüplan wie folgt aus: Morgens Reis mit Gemüsesuppe und gesalzenem Fisch, mittags Reis mit so einem Mais-Guava-Küchlein und einem kleinem Pouletschenkel, abends Reis mit ein bisschen Rinds- oder Lammfleisch und gerösteten Erdnussflakes. Dazu immer eine kleine Banane… Dieses einseitige Essen war für viele schon zu viel und so ist Tom bereits seit drei Tagen krank, ich habe mich gestern etwas erkältet, Daniela ist heute nach Bandung zu Bluttest ins Spital gefahren (in den Tropen ratsam) und jeden Tag klagt jemand anderes über Halsschmerzen und Unwohlsein. Das beste Essen konnten wir beim Lunch mit den Einheimischen geniessen. Die Frauen kochten und unsere Gruppe war eingeladen, zusammen mit den Männern zu essen. Natürlich gab es auch hier den verfluchten Reis, aber immerhin war das Essen abwechslungsreich (gedünstetes Jengkol, so ein grünes, kürbisartiges Gemüse, Tofu mit Currysauce, Chilipaste, feines Fleisch und frische Red Guava) und super gewürzt. Fast wie daheim J.

Soeben wurde ich auf die Terrasse gerufen, die Kinder aus der Schule unterhalb der Villa haben sich auf dort versammelt und wollen Foto machen. Alle gleich klein, ca. 4-5 jährig, die Mädchen mit Kopftüchlein und die Jungs mit Mütze, scheu und anständig, so dass sie beim Abschied jedem einzelnen von uns die Hand gaben und sie zu sich an die Stirne zogen. So herzig.

Heute haben wir unser Gruppenprojekt definiert und den Research abgeschlossen. Es handelt sich um die Produktion von Honig. Wir entdeckten ein Bienenhaus vor ein paar Tagen, forschten nach und fanden heraus, dass ca. 10 Farmer des Dörfchens Ciaul Boxen mit Bienen besitzen, ein Farmer einiges an Erfahrung aufweist und dass der Supply von ca. 3kg pro Box alle 25 Tage über keinen entsprechenden Demand verfügt. Thomas und ich konnten bei der Grobplanung des Businessplans erstaunlicherweise nicht nur betriebswirtschaftliche sondern auch bienentechnische Inputs beisteuern. So erinnerten wir uns an unser Primarschulwissen über den Ultraviolettblick der bienischen Facettenaugen. So konnten wir das Problem der Farmer lösen, dass die Bienen den Stock nicht mehr finden, wenn die Boxen nicht mindestens 8 Meter auseinanderliegen: Farbige Eingänge!

Die Marge für Honig scheint bis jetzt äusserst gut zu sein. Mit den tiefen Labour und Transport Costs beläuft sich der Bedarf nach Venture Capital auf ein paar Millionen Rupiah (einige paar Tausend US$). Diese werden voraussichtlich für Cleaning, Packing und Labelling Maschinen verwendet. Als grosse Herausforderung sehen wir die Distribution ab Jakarta und die Marketingstrategie.

Heute machten wir einen Ausflug, da unser Research in Cisondari abgeschlossen sind. Wir fuhren alle zusammen (ausser Mac, der noch mit der Infektion zu kämpfen hatte) zum White Crater, einem Vulkan mit Kratersee. Das weiss-grüne Wasser und die aufsteigenden Schwefelgase ergaben einen wunderschönen Anblick. Auch die restliche Landschaft auf dem Vulkan war atemberaubend. Die riesigen Farne des dichten bergtropischen Regenwald erinnerten uns an Bilder der Trias und wir wären wohl nicht erstaunt gewesen, wenn plötzlich ein Orang Utan aus dem Gebüsch gekrochen gekommen wäre. Kam er aber nicht, da die Säugetieredichte in diesem Gebiet stark abnehmend ist – nicht zuletzt wegen der grossen Teeplantagen, denen der Regenwald weichen musste.

Etwas, das uns zu schaffen macht, ist der ewige Reis, den uns das Catering dreimal am Tag zur Verfügung stellt. Zum Glück sind wir nicht die einzigen, denen das unausgewogene Essen missfällt und so fuhren wir gestern nach Bandung zum Dinner. Es widerspiegelt die Gastfreundschaft unserer Indonesischen Kollegen, dass wir im Suis Steak House einkehrten, wo wir uns mit T-Bones, Sirloin und Tenderloin Steaks (ca. CHF 3.- each) vergnügten. Angesichts der Situation das beste Fleisch unseres Lebens J.

Vorgestern entdeckten Thomas und ich etwas Komisches im Dorf. Ein kleiner Junge schleppte sich mühsam auf einem Gefährt durch die Gegend, das einmal ein Dreiradtraktor gewesen zu sein schien, nun aber nur noch die zwei Hinterräder besass. Auf die Frage, wo das Frontrad geblieben sei, erwiderte der Vater, er hätte es verkauft. Fies! Am nächsten Tag waren wir bei unserem Imker zum Mittagessen eingeladen und siehe da – im Vorgarten fanden wir das ominöse Frontrad! Ein schlechtes Beispiel für Asset Stripping...

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Nun, jetzt ist schon der zweitletzte Tag hier in Bandung. Die Tage laufen immer etwa gleich ab. Morgens ziemlich verkatert aufstehen (ca. 1100 c.t.), auf ein Frühstücks-Tenderloin ins Studentencafé, etwas am Projekt schreiben, fürstliches Nachtessen für 15 Franken und dann entweder ins Mansion oder ins Embassy. Dort verbrachten die 4 "Bule" (Ausländer) ihre letzten 4 Nächte... Wir hatten wirklich Glück mit unseren Local-Kollegen, welche ziemlich stadtbekannte Partyanimals sind. So mussten wir uns nicht umgewöhnen und hatten auch in Bandung stets einen schönen Tisch und Gästelisteneintritt. Die Preise des Vodkas sind ok, ca 60 Franken pro Flasche.

Heute Abend ist noch Studentenparty im Embassy. Kommt gut... Dienstag fliegen wir dann zurück nach Singapore, wo Fabio bereits die Stadt rockt :)